„Wir müssen unsere Kunden immer öfter vertrösten, weil wir die Aufträge nicht annehmen oder abarbeiten können. Der Materialmangel zieht sich durch alle Branchen: Die Maler bekommen nicht genug Gipskarton und Dämmmaterial, die Elektroniker warten auf das Glasfaserkabel und andere elektronische Komponenten, den Dachdeckern und den Zimmerern fehlt Holz und Platten, den Metallbauern die Aluprofile und die Raumausstatter warten auf die längst bestellten Rollos und Stoffe. Lieferzeiten von bis zu 6 Monaten gibt es bei einzelnen Artikeln. Die Liste könnte Kreishandwerksmeister Frank Michel (Treysa), der selbst einen Maler- und Lackiererbetrieb mit 30 Mitarbeitenden führt, beliebig fortsetzen. „Für unsere Handwerksbetriebe und deren Kunden ist das eine sehr ärgerliche Situation. Die Folge ist: Aufträge werden verspätet abgewickelt oder können nicht fristgerecht fertig gestellt werden und die Preise steigen zudem kontinuierlich. Der Aufwand ist für die Betriebe und Mitarbeiter immens und erfordert Geduld und eine stetige Umplanung“, beschreibt Michel die unbefriedigende Situation.
Preise steigen deutlich
Noch schlimmer ergeht es zurzeit Betrieben, die bei öffentlichen Aufträgen mit „Normalpreisen“ kalkuliert haben und die Preissteigerungen nicht berücksichtigen konnten. Hier sieht Michel gerade bei Großaufträgen ein echtes Problem für mittelständische Betriebe. „Die Preise gehen in immer mehr Bereichen durch die Decke“, sagte Michel. Beispielhaft nannte er die Kosten für einen Meter Dachlatte, der ursprünglich 35 Cent pro Meter kostete und heute für 1,75 – 2,00 € pro Meter angeboten werde. Mittlerweile sind Materialpreise oft Tagespreise. „Symbolisch gesehen: Was gestern in der Krise das Klopapier war, ist heute die Dachlatte“, zog Michel Parallelen zu den Hamsterkäufen in der ersten Corona-Welle. Noch sind die Auswirkungen nicht abzuschätzen, aber bei solchen Marktverwerfungen müsse es Sonderregelungen geben. Hier sei die Politik doppelt gefordert. „Einerseits, um bessere politische Rahmenbedingungen zu schaffen und andererseits sollte die öffentliche Hand auch als Auftraggeber flexibel reagieren“, sagte Michel. Er forderte Betriebe und Kommunen auf, in der schwierigen Situation Kompromissbereitschaft zu zeigen. „Wir haben eine Ausnahmesituation, die wir nur gemeinsam meistern können“, sagte der Kreishandwerksmeister. Die schwierige Lage sei Folge des Handelsstreits, der durch die Corona-Pandemie noch verstärkt werde.
Handwerk bleibt positiv
Trotz vieler Unsicherheiten sieht die Kreishandwerkerschaft die Zukunft im Handwerk weiterhin positiv. Unübersehbar sei aber, dass sich Märkte deutlich verändern. Dies werde Spuren in vielen Bereichen hinterlassen, ist sich Wolfgang Scholz, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft sicher. „Momentan überdeckt die Diskussion über den richtigen Umgang mit der Pandemie noch vieles Andere, aber am Ende des Tages müssen alle Leistungen bezahlt werden“, sagte Scholz. Wichtig wäre eine Entastung für die mittelständischen Betriebe und nicht weiter steigende Abgaben. Mit Blick auf die Pandemie wäre in Zukunft ein professionelles Krisenmanagement wünschenswert. Die Aufgaben im Katastrophenfall müssten klar geregelt und umgesetzt werden. „Was nützen klare Zuständigkeiten, wenn die Hausaufgaben nicht gemacht werden“, sagte Scholz.
Leistungen
Mehr Dienstleistungen im Bereich Recht sollen künftig den Innungsmitgliedern angeboten werden. „Bisher wurden die Mitgliedsbetriebe im Arbeits- und Sozialrecht beraten und vertreten. In Zukunft soll das Vertragsrecht und das Baurecht ebenfalls angeboten werden“, sagte Armin Jordt, Assessor der Kreishandwerkerschaft. Der Bedarf und die Nachfrage im Rechtsbereich sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ziel sei es, den mittelständischen Betrieben eine qualifizierte und umfängliche Rechtsdienstleistung anzubieten. Die Innungsmitgliedschaft sei der Türöffner für Handwerksbetriebe, so Jordt. Neben dem Bereich Recht bietet die Kreishandwerkerschaft auch Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen, Bildung und Arbeitsschutz an.
Nachwahl
In den Vorstand der Kreishandwerkerschaft wurde Dachdeckermeister Joachim Schaumlöffel aus Obervorschütz gewählt. Der Obermeister der Dachdecker-Innung Kassel löst damit seinen Vorgänger, Horst Wagner aus Seigertshausen, ab. Dem Vorstand gehören, neben Schaumlöffel, Kreishandwerksmeister Frank Michel, die stv. Kreishandwerksmeister Jürgen Schenk und Dipl. Ing. Frank Dittmar, Bäckermeister Olaf Nolte und Tischlermeister Jens Günther an. Die Kreishandwerkerschaft Schwalm-Eder ist die Dachorganisation von 19 Handwerks-Innungen mit über 900 Handwerksbetrieben im Schwalm-Eder-Kreis und Nordhessen.
Bild 1: Im Handwerk läuft es rund, doch immer häufiger bremst der Materialmangel die Handwerksbetriebe aus.
Bild 2: Kreishandwerksmeister Frank Michel.
Bild 3: Dachdeckermeister Joachim Schaumlöffel
Quelle: Kreishandwerkerschaft Schwalm-Eder